„Was mich behindert... ist manchmal zum Lachen und manchmal zum Weinen.“

05.05.2020
In grünen Leinen gebundenes Buch mit einer quadratischen Öffnung auf dem Deckel. Darin der Text: Was mich behindert

In diese Buch können Menschen mit Behinderung eintragen, auf welche Situationen sie im Alltag stoßen. Und was ist Ihnen schon passiert? Schreiben Sie es in die Kommentare am Ende dieser Seite!

Oder beteiligen Sie sich heute am Liveblog bei Kobinet https://kobinet-nachrichten.org/foren/protesttag-5-mai-2020/ . Eine bundesweite Online-Kundgebung findet heute ab 14:00 Uhr auf www.maiprotest.de statt.

Ausstellungstisch mit Gästebuch

Aus unserem Gästebuch „Was mich behindert“:

Die Gegebenheiten meines Körpers sind nicht das, was mich grundsätzlich stört. Wenn ich meine angeborene Querschnittslähmung nicht hätte, wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin und vielleicht wären mir viele wertvolle Erfahrungen verwehrt geblieben. Wenn ich vor einer Treppe stehe mit meinem Rollstuhl wünsche ich mir nicht, keine Behinderung zu haben sondern einfach eine Rampe. Ich würde mich freuen, wenn diese Welt weniger von Vorschriften/Bürokratie sondern mehr von Menschlichkeit beherrscht wird. Ich möchte nicht in einer Welt leben wo niemand mehr -besonders- ist, sondern in einer Welt, wo jeder gut mit seinen Besonderheiten leben kann.

Beim Besuch der Händelhalle oder im Theater: “Mit den Hund kommen Sie hier nicht rein!“ Dabei bin ich als blinder Mensch auf den Hund angewiesen. Es sieht schlecht aus mit der kulturellen Teilhabe.

Es ist verletzend, wenn man als blinder Mensch nicht direkt, sondern über die Begleitperson angesprochen wird. Bei Behördengängen oder in Arztpraxen muss ich oft sagen: „Sprechen sie mit mir, nicht mit meiner Tochter!“ Man fühlt sich übergangen. Es werden Blicke getauscht und man kann nicht teilhaben.

Ich komme aus Mainz. Dort wollte ich letzte Woche mit einer Frau ins Kino gehen. In einen Horrorfilm. Das Kino spielt diese Filme nicht in barrierefreien Räumen. Das nervt!

Was mich schockiert hat! Die Nachricht, dass Urlauber ein Reiseunternehmen auf Entschädigung verklagt haben, weil ein behindertes Kind die Ruhe störte. Und schlimmer, sie bekamen Recht.

Im Krankenhaus. Dialog zwischen einer blinden Frau und einer Krankenschwester: Ich bin blind – Nein sie sind sehbehindert! - Das stimmt nicht, ich bin blind – Sie sind SEHBEHINDERT! Blind ist nämlich diskriminierend! – Wie Sie meinen. Leider bin ich trotzdem blind.

Das Fliegen mit Rollstuhl ist ein Abenteuer. Die Adaptivrollstühle sind eine spezielle Maßanfertigung. Leider müssen diese als Sperrgepäck aufgeben werden und man muss sich auf einen Standardrollstuhl umsetzen. Oft wird der Rollstuhl beschädigt. Und das Umsetzen ist so schwer.

Bei den Behördengängen wird manchmal sehr laut, langsam und überdeutlich mit mir gesprochen. Ich sage dann gern: „In meinem Ausweis steht BL – heißt blind,  nicht blöd.“

Ich als Frau im Rollstuhl finde: “ICE-fahren ist ganz schlimm. Drei Tage vorher muss man sich anmelden. Dann wurde ich trotzdem in München mit dem Gabelstapler aus dem Zug geholt“.

Das Kopfsteinpflaster in Halle ist schwer befahrbar. Jeder einzelner Stein kommt als Schmerz im Kopf an. Schmale Wege für Kinderwagen, Rollatoren usw. wären sehr nützlich und hilfreich.

Dass blinde Menschen nicht auf Kreuzfahrten dürfen, musste ich erstmal einmal verdauen! Das ist mir bei einem großen Reiseunternehmen passiert.

Mich behindert im Alltag, dass ich als behinderter Mensch als bekloppt dargestellt werde, ohne dass diese Leute etwas über meine Behinderung wissen.

#MuseenEntdecken #closedbutopen #DigAMus #MuseumFromHome #culturedoesntstop

Kommentare

Was mich behindert - in Coronazeiten
am 6. Mai 2020 - 13:35

Wissen Sie, dass die gegenwärtige Situation Hörbehinderte besonders trifft? Mich insofern besonders, weil ich auch seit meinem 11. Lebensjahr mit den Augen lese, indem ich mittels Blickkontakt auf den Mund des Sprechenden schaue und mir so manches dadurch zusammenreimen kann. Auch ist mit mir kein Candle-Light-Dinner und auch ein Adventskaffee im Kerzenschein nicht empfehlenswert, dann müsste ich immer sagen: "Macht mal Licht, ich kann sonst nichts hören...." Nun, durch den "Maulkorb" ist das die gleiche Situation, obwohl es hell ist. Christel Schilling

Was mich behindert - fehlende Teilhabe
am 6. Mai 2020 - 13:48

Protestieren "tue" ich immer, besser: Ich protestiere immer, wenn ich feststelle, dass man bei der Neueröffnung von kulturellen Einrichtungen (Literaturhaus Halle, Ecke Mühlweg z.B.) die Probleme der Hörbehinderten wieder einmal "vergessen" hat. Wir sitzen auch sinnbildlich im Rollstuhl, wenn es ums Hören geht. Ich brauche auch keinen Frauentag, Muttertag - das ganze Jahr wünschte man sich nur achtungsvolles Benehmen... oder jetzt während Corona etwas Nachdenklichkeit z.B. von Jugendlichen, die zu zweit nebeneinander an der Straßenbahnhaltestelle auf der Bank sitzen... ich kann mich wegen des zu geringen Abstands nicht dazusetzen... Na, da bleibe ich stehen, noch geht's ja... Christel Schilling

Neuen Kommentar hinzufügen