"Ich hätte auch dumm bleiben können"
Auf seinem Ausstellungstisch liegt eine Mappe mit einem Vortrag, den er 2017 an der Martin-Luther-Universität Halle vor Studierenden der Rehabilitationswissenschaften gehalten hat. Die Mappe enthält außerdem Kopien seiner Zeugnisse und Praktikumsbescheinigungen.
Aus der Sicht eines Betroffenen schildert André Thiel in seinem Vortrag den Bildungsweg eines mehrfach körperbehinderten Menschen. Vom Kindergartenalter an wurde er in geschützten Räumen zusammen mit anderen körperbehinderten Menschen intensiv und aufwändig gefördert. Am Ende seines Ausbildungsweges stand ein Abschluss als kaufmännische Fachkraft.
Doch das Fazit dieser Förderung fällt nüchtern aus: André Thiel erhielt keine Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt. Ihm blieb die Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Inzwischen setzt er sich öffentlich für die deren gerechte Entlohnung ein, zum Bespiel auf der Plattform kobinet.ev
André Thiel sagt: „Ich hätte auch dumm bleiben können und hätte das gleiche Geld.“ Sein Arbeitslohn liegt bei ca. 170 € monatlich.
Demnächst wird er eine Klage beim Bundesverfassungsgericht bzw. europäischen Gerichtshof einreichen.
Mehr zum Engagement von André Thiel:
https://kobinet-nachrichten.org/2019/09/08/andre-thiel-kaempft-fuer-inklusion-und-arbeitnehmerrechte/
https://kobinet-nachrichten.org/2020/01/09/ist-ein-stundenlohn-von-130-e-fair/
Zu seiner persönlichen Coronasituation sagt er: „Mir geht es in gut und ich fühle mich in meiner Freiheit nicht stärker eingeschränkt als sonst. Freiheit ist für mich vor allem eine Frage des Geldes, dass ich als behinderter Mensch nicht habe. Ich lebe von der Grundsicherung. Unabhängig von Corona bleibt da kein Geld für das, was jetzt viele Menschen vermissen: Kultur, Reisen, Restaurantbesuche.“
André Thiel wurde 1981 geboren und lebt seit 1988 in Halle.
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